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03.08.17 - Resolute Bay, 74°41,53 N 094°50,94 W

Endlich! Weg aus Gascoyne Inlet. Bewegung.

 

 

Die Eiskarten zeigten sehr große Eisflächen an der Südküste von Cornwallis Island wovon Resolute Bay ein Teil ist. Beim Wetterbericht haben wir uns daran gewöhnt, dass wir zumindest auf die „Morgen“, Übermorgen“ und „In drei Tagen“ Schaltflächen klicken und dann wissen wir es. Wir holen so unsere Wetterdaten auf der Basis des Prognosemodells der US Wetterbehörde ab (NOAA).

 

 

Bei den Eisinformationen gibt es diese Schaltflächen nicht. Wenn es ein Modell gibt, haben wir es jedenfalls bisher nicht gefunden. Das Medium der Wahl sind Eiskarten. Diese erscheinen um 18:00 kanadischer Zeit. Die beschreibt aber nur die Vergangenheit. Ich schätze, dass die Rohdaten, die in die Karte eingehen, vom Morgen des gleichen Tages stammen und von den Eis-ologen im Laufe des Arbeitstages verarbeitet werden. Und sie malen mit Sicherheit noch etwas Puffer in ihre Bildchen. Die 18:00 Karte ist also eher eine konservative 9:00 Karte. Wenn wir auf diese reagieren (losfahren oder auch nicht) ist die Information bereits 24 Stunden alt.

 

 

Wenn wir wissen wollen, wie es wird, sind wir auf uns angewiesen. Wir schauen zunächst auf den Trend. Irgendwann geht das Eis im Peel Sound immer auf. Aus festem Meereis wird zunehmend fragileres Packeis. Das folgt nicht der Kurve des generellen Abschmelzens des Meereises. Dem Grunde nach zwar ja, aber an Stellen, an denen es vorne bricht und hinten drückt, ballt und staut es sich. Hinten drücken kann Wind, Strömung und der Druck von der Polkappe. Das ist das Kernproblem der NWP zwischen Resolute und Cambridge Bay. Vom Nordpol drückt ohne Schutz die Polkappe und die vorherrschenden Winde auf diesen Teil der Wasserstraße. Strömung gibt es fast keine, im Osten eine geschlossene Landmasse. Das aufbrechende Eis kann nur oben und unten raus. Und dazu braucht es den richtigen Wind, den richtigen Druck von der Polkappe und die passende Strömung. Aber es bleibt der Trend, es geht früher oder später auf. Wir kalkulieren also auf der Basis, dass die Durchfahrt nicht grundsätzlich unmöglich wird (wenn doch – das ist das Risiko dieser Reise).

 

Wir beurteilen dann die Faktoren, die das Aufbrechen des Meereises begünstigen und wo sich bereits Flächen freien Wassers ausbilden. Gestern haben wir festgestellt, dass der Wind sich anders entwickelt, nämlich nahezu kein Wind. Dann bestimmt der Strom die Eisentwicklung und das ist für uns zunächst einmal günstig. Außerdem war im Trend allmählich Zeit, dass das Eis aufgeht. Schließlich „klebt“ um diese Jahreszeit das Eis nicht mehr fest am Land, sondern ein mehr oder weniger schmaler Schlitz bleibt.

 

 

Auf dieser Basis haben wir angenommen, dass sich dass (dünne) Eis vor Cornwallis Island nicht durch Wind verdichtet sondern durch die Strömung aufgerissen und vertrieben wird.

 

 

Und dann: Nach dieser tiefsinnigen, quasi wissenschaftlichen Analyse: Es war garkein Eis mehr da. Natürlich schwimmt hier überall Eis, aber so wenig, dass wir auf knapp sechzig Meilen keine zehn Mal einem Eisklumpen ausweichen mussten.

 

Wir sind gespannt, wie die heutige Eiskarte unsere erlebte Realität abbildet.

 

 

P.S. Wir machen das natürlich nicht ganz ohne Sicherheitsgurt: Wir haben einen treuen Freund (bereits vorher benannter BU), der in Deutschland die Eissituation analysiert. Der kann noch Satellitenbilder, Rohdaten und andere Quellen auswerten. Wenn dessen Analyse mit unserer in die gleiche Richtung geht: Bingo – Anker auf!

 

 

P.P.S. Nach GEschäftsschluss erreichen wir Resolute, ein Ort, an dem man nach dem äußeren Schein nicht sein muss. Wir liegen hier weniger geschützt als in Gascoyne; hier will ich weg. Das Segelboot, das hier angeblich schon seit vierzehn Tagen liegt, behauptet bisher noch kein substantielles Eis gehabt zu haben. Was will uns die Eiskarte eigentlich sagen?

 

Morgen ist einklarieren, tanken und einkaufen angesagt. Dann wollen wir weiter. Mal sehen, ob das so klappt.