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16.08.17 – Passage, 69°58,10 N, 96°27,40 W

Der 5/10 Eisriegel, der nach der Eiskarte von gestern das Passieren von Gibson Island verhindern hätte können, erwies sich als überwindbar. Trickiger war das angekündigte 7/10 Eis, das die Passage um die Tasmanian Islands herum unmöglich machen könnte (7/10 Eis können wir nicht durchdringen). Von Norden kommend sahen wir einen zwar dünnen, aber soliden Riegel vor den Inseln sehen. Intuitiv (naja, was sonst) sind wir aufs offene Wasser ausgewichen, nur um festzustellen, dass das dichte Eis (7/10) und die Inselgruppe „connecten“.

 

Wir sind jetzt nicht blöd, weil wir solche Umstände nicht „vorher berücksichtigen“. Eine nicht vorhersehbare Eisbarriere ist das immanente Risiko des Segelns im arktischen Eis, genauso wie das Eingewehtwerden in einem vorher weit offenen Feld junger Eisflows (so berichtet im Zusammenhang mit unserem vergeblichen Versuch, von Resolute in den Peel Sound zu gelangen). Diese scheinbar fehlende Vorausschau ist eine Folge der rein historischen Informationsquellen: Wir haben die letzte Eiskarte gestern um 16:00 bekommen. Diese Karte wurde auf der Basis von Satellitenaufnahmen erstellt, die im Laufe des gestrigen Tages zu der Eiskarte aufbereitet wurden. Um 16:00 hatten wir also einen Blick auf die Eislage vor 12 Stunden; als wir vor Ort waren, war die uns bekannte Eissituation knapp 24 Stunden alt.

 

Unsere Prognose war, dass der im Nordosten der Tasmanischen Inseln am Ufer liegende Riegel sich mit Ostwind und Strom auf die Reise nach Norden machen und, wegen seiner geringen Größe, zerfallen würde. Für die kleine Brücke zwischen der äußeren Inseln und dem großen Klotz im Sound sahen wir angesichts des Trends, die Öffnung der Ostküste des Sounds, zuviel Spannung, als dass sie überleben würde.

 

Nicht nur wir sahen das so, sondern wohl auch die von Süden kommende deutsche Yacht Freydis, die auf die Auflösung des Eises zwischen den Inseln spekulierte und, offenes Wasser (mit uns drin) sehend, nicht einmal eine halbe Meile vor dem Ziel festsaß.

 

Nachdem wir also sahen, dass die Verbindung zwischen dem festen großen Klotz im Sound und den Tasmanian Islands nicht verschwunden war, fuhren wir diese Mauer auf der Suche nach der Lücke ab. Und in der Tat war unsere Theorie, dass die Spannung zwischen Land und dem 7/10 Riegel der schwache Punkt ist, richtig. Spalten und Pools überall, aber keine richtige Straße. In der Situation steht dann bei uns ein Crewmitglied auf dem Großbaum und „denkt“ von der erhöhten Position Verbindungen zwischen den Schwachpunkten. Manchmal muss auch Morning Haze ran, um mit dem Eis zu spielen (ein kleiner Stupps hier, ein kleiner Stupps da). Man soll das aber nicht überschätzen; auch wenn MH sehr kräftig und stabil ist – wenn das Eis nicht bereits lose ist, bekommt sie es nicht bewegt.

 

Am Ende musste der Tasmanische Teufel klein beigeben und wir hatten sein Eis im Norden von uns.

 

Und das war’s.

 

Ab dann mussten wir nur noch die freien 8/10 im 2/10 Eis finden. Das geht jetzt auch nicht so einfach, denn die 2/10 liegen nicht gleichmäßig verteilt herum, so dass man nur ein wenig Achterbahn fahren muss. Meist bilden sich durch Wind und Strom festere Riegel und dann geht es los wie oben beschrieben. Dennoch haben wir diverse Male mehrere Meilen erfolglos in die eine oder andere Richtung gesucht. Am Ende war der heiße Tip die Streßkante zwischen Festland und Seeeis. Wie schon Monaco Franze zu sagen pflegte „A bisserl woas geht da immer!“ Jedenfalls konnte die kleine Alkahest, die konsequent auf dieses Strategie setzte, deutlich aufholen.

 

Jetzt um 24:00 flocken die Flows zwar immer noch ein wenig, aber eher so 1/10 und feinverteilt. Bis zur John Ross Strait sind es nur noch wenige Meilen und dann hat Eis ersteinmal fertig.

 

Ich werde drei Bilder des NWP Kernstücks nie vergessen: Im Nebel, bei völliger Stille, zwischen den Flows kurz vor dem Peel Sound bewegungsunfähig eingeschlossen zu sein. Mami und Baby Petz in der Bellot Strait im Abendlicht, während wir um den Eisriegel manövrierten. Der Mast der Freydis in der beginnenden Nacht, gefühlt zehn Meter vor dem offenen Wasser festgefahren.

 

Erleichterung macht sich breit. Über was soll ich in Zukunft noch schreiben? Erwähnte ich schon den Code O?