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23.07.17 – Passage, 73°50,50 N 66°35,00 W

Der zweite Tag auf der Baffin Bay bescherte uns Sonne und Temperaturen um 15°.

 

Als besonderes Naturerlebnis können wir ein Seehundrudel verbuchen, dass anscheinend vor Angst gefressen zu werden panisch aus dem Wasser in die Höhe sprang. Eine andere Erklärung wäre, dass es sich um das Abschlussritual einer Seehundparty handelt – alle springen noch einmal in die Luft und gehen dann nach Hause. Welches auch immer die richtige Erklärung ist (wir haben weder einen Orca noch eine Seehund-Disse gesehen) – es war schon sehr ungewöhnlich einem Dutzend Seehunden zuzuschauen bei dem Versuch zu fliegen.

 

 

Navigatorische erleben wir den „Großkreis“. Weil wir über mehrere Hundert Meilen nur auf einen Wegepunkt zufahren, ist der kürzeste Weg über die Erdkugel keine Gerade, sondern ein Bogen. Das führt dazu, dass wir bei genauem Abfahren der Kurslinie auch eine sich kontinuierlich leicht ändernde Zielpeilung haben. Dieses an sich nicht besonders spannende Erleben von irgendwann bei irgendwelchen Segelscheinen erworbene Wissen nährt aber auf schöne Weise das Gefühl des Vermessens der Welt bei einer Langfahrt: Sie da, die Welt ist doch keine Scheibe!

 

Eine Randnotiz gebührt einer weiteren navigatorischen Besonderheit dieser Gegend. Auf allen Seekarten wird die Missweisung angegeben. Auch die kanadischen Karten haben dafür eine entsprechende Stelle. Nur findet sich dort statt der Missweisung der Hinweis: „The Magnetic Compass is useless in this area.“ Auch das weiß man natürlich, macht aber die Nähe zum nördlichsten Punkt unserer Erde erlebbar.

 

Zum Abend zeigt das Barometer meiner tollen Seefahrer Uhr ein Hektopascal weniger an (und das Thermometer nur noch 5°). Das gibt Hoffnung, dass wir etwas weiter weg vom Zentrum des Hochs etwas Wind fangen. Das schöne Wetter hat nämlich den unschönen Nachteil, dass das in das Hoch blasende laue Lüftchen zum Segeln nicht reicht. Nach einem 100% Segeltag gestern reicht es heute nur zu 25%.

 

Die Sonne steht um Mitternacht noch hoch im Horizont, so dass die Nachtwache sich als solche nur über die abnehmende Temperatur oder die Uhr identifizieren lässt. Wir fahren bei vier Crewmitgliedern eine stündliche Wache, damit niemand zu lange in der Kälte stehen muss.