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26.08.17 – Passage, 70°37,94 N 128°34,82 W

Um 5:30 fiel in Summer’s Habour (70°07,62 N 125°03,71 W) der Anker. Angeblich der beste Ankerplatz im Norden Kanadas. Es fehlt allerdings: Gourmet Restaurant, Bioladen, Wäsche-, Brötchen- und Taxiservice, Internet, um nur das Wichtigste zu erwähnen. Okay, guter Ankergrund, soviel Platz, dass man sich für jeden Wind eine sichere Position aussuchen kann, Windschutz allerdings mau, denn das Gelände um das kreisrunde Loch ist nirgends mehr als 15 m hoch. Aber immerhin hat hier im Winter 1997 ein Schlepper mit einer kleinen Bohrinsel überwintert, na dann.

 

Nach sechs Stunden Schlaf und Frühstück stehen um 14:00 wieder die Segel.

 

Immer mehr bekommt der Begriff „Passage“ im Namen unseres Seeweges Bedeutung. Wenn man durch das Herzstück der NWP mit dem Eis durch ist, will man einfach nur noch an das andere Ende. Das gilt Ost, wie West. Seit der Einfahrt in den Lancaster Sound fast die ganze Zeit die immer gleiche vegetationslose glaziale (abgeschmirgelte oder verwitterte) Küste. Kein spannendes Panoramo erfreut das Auge. Seit 2.200 Seemeilen keine Menschen, keine Schiffe, außer Resolute und Cambridge keine Orte – naja, drei, vier 200 Seelenorte etwas abseits der Passage, aber was soll man da? Weder gibt es dort Iglus noch Tipis, keine mit Seehundfell bespannten Kajaks, noch Menschen in selbstgenähter Fellkleidung. Nur Blechhütten und billige Holzhäuser.

 

Die mich umtreibende Frage, wie konnte sich ein Volk auf ein Leben „nördlich der Baumgrenze“ im Permafrost spezialisieren, wird nicht beantwortet. Wer von Ihnen hat entschieden, dass in Zukunft der Seehund für Speise, Wohnung und Bekleidung zuständig sein soll – oder hatten deren Führer sich nach der Beringstraße nur verlaufen? Statt rechts ab nach Kalifornien geradeaus Tuktoyaktuk?

 

Eine Attraktion hier südlich von Cape Bathurst sind die brennenden Berge (Bitumenschichten tief unter der Eroberfläche, die seit ewigen Zeiten brennen). Erkennbar an den Rauchsäulen. Vor Resolute konnte man die Grabstellen einiger Mitglieder der Franklin Expedition und noch einige original Ausrüstungsgegenstände dieser fatalen Reisegesellschaft anschauen (wer’s mag). Die „Maud“ in Cambridge war zwar Amundsens Schiff (wenn auch nicht das, mit dem er die NWP entdeckt hatte), in Cambridge gesunken ist sie aber in den Diensten der Hudson’s Bay Company, die die Maud von den Geldgebern Amundsens Jahre vor deren Untergang gekauft hatte. Richtig cool fand ich bisher eigentlich nur Depot Bay, ein Ort des Handels der Inuit mit der westlichen Welt, der irgendwann aufgegeben wurde (Der Ort zog einfach um). Landschaftlich toll, ein Zeitzeuge für ein Leben in der Arktis vor dem Global Warming, der seine Bewohner doch nicht dauerhaft glücklich machte. Von dieser Art Plätze gibt es noch einige, wenn auch weniger einladende (z.B. eine Insel neben Summer’s Harbour).

 

Am Ende ist es die ewig gleiche Frage nach dem persönlichen Motiv für eine Segelreise in solche Gegenden. Für mich ist es neben der Suche nach dem Unbekannten, Fremden das Erfühlen der Welt. Wenn wir in Nome angekommen sind, bin ich mit Morning Haze nach Längengraden einmal um die halbe Weltkugel gesegelt. Fast die ganze Strecke hatte ich mehr oder weniger Landsicht, Küstensegeln eben – dänische Südsee. Es gab nur drei größere Schläge über offenes Wasser: Den Helder – Yarmouth, Faroer – Island, Grönland – Kanada, letzterer mit gut 400 sm der bei weitem längste Schlag. In Trippelschritten um den Globus; die Weite liegt hinter der nächsten Ecke.

 

Heute habe ich mich im wesentlichen mit der Frage beschäftigt, wie kommen wir am elegantesten ohne Tankstopp nach Nome. Auf knapp der Hälfte der Strecke kann man noch einmal in Tuktoyaktuk Diesel Bunkern, um den Preis eines deutlichen Umweges. Meine Sicherheitsmarge für den notwendigen Bestand ist 1l/sm. Das ist nicht der Verbrauch, aber bei längeren Wartezeiten wegen widrigen Wetters kann sich die Summe von Heizungs- und Maschinenverbrauch dahin entwickeln. Jedenfalls reicht der Tankinhalt (1.170 l) und die Reserve auf Deck (180 l) mit dieser Formel nicht von Cambridge nach Nome. Nachdem wir aber seit Cambridge mit einem sehr hohen Anteil an gesegelter Strecke unterwegs sind, könnte es doch klappen wenn der günstige Wind anhält. Die Strategie ab Cape Bathurst ist deshalb direkter Kurs auf Demarcation Bay, direkt hinter der US Grenze. Sollte der Wind vorhersagewidrig nicht mitspielen Kursänderung nach Süd in das Mackenzie River Delta hinein nach Tuktoyatuk.

 

Wenn man nur über eintönige Landschaft, Strecke, Dieselverbrauch und Wetterbericht nachdenkt, übersieht man leicht, dass man gerade einen klasse Segeltag hat. Erwähnte ich schon den Code 0?